01.07.2011

Warnemünder Woche 2011 - alles in Butter?

Warnemünder (Laser) Woche 2011: Internationaler Spitzensport und echtes Gedrängel an der Luvtonne gehen in diesem Jahr hauptsächlich von den 250 Einhandseglern der drei Laser-Klassen aus (foto cc by RostockSailing.de / RS-Archiv).


Zum Glück haben wir die Laser! Wenn morgen die 74. Warnemünder Woche beginnt, gehen allein in dieser Bootsklasse 250 Teilnehmer in drei Unterklassen traditionell an den Start. Das kann sich zweifellos sehen lassen.

Der Laser Europa Cup ist seit mehr als 10 Jahren elementarer Bestandteil und ein echtes Aushängeschild der Warnemünder Woche. Das bezieht sich sowohl auf die Teilnehmerzahlen als auch die vielbeschworene Internationalität einer Regattawoche - werden doch allein hier schon 23 der insgesamt 24 anreisenden Nationen vertreten sein.

Unsere Olympia-Hoffnung Franziska Goltz zieht Warnemünde sogar der EM in Helsinki vor und verleiht der Warnemünder Woche damit "olympischen Glanz" (wobei sie dort erst noch hin will) oder vielleicht besser gesagt einen Hauch Anwesenheit von Weltklasse. So weit so gut(klingend).

Doch was wird darüber hinaus von der WW 2011 zu berichten sein?


Die obligatorischen Zeitungsmeldungen vor der Veranstaltung versprechen uns verschiedene Highlights, wie z.B. die IDJM der BIC-Techno-Surfer oder die paraolympischen 2.4mR-Boote. Außerdem heißt es in der aktuellen Pressemitteilung:
"Auch neu dabei ist die Klasse der Skippi 650. Die Premiere bei der Warnemünder Woche trumpft direkt mit einem Top-Event auf. Insgesamt elf Teams messen sich in der 3-4 Mann Kielbootklasse und kämpfen um den Europa Cup. Dabei treten auch fünf Teams aus Polen an."

Dem langjährigen Fan der Warnemünder Woche drängt sich dabei die Frage auf: Wie definiert man eigentlich ein "Top-Event"? Bei genauerer Betrachtung gestaltet sich die Suche nach weiteren echten Glanzlichtern jenseits der Laser - wie in den vergangenen Jahren noch vorhanden - diesmal nämlich eher mühselig. Keine WM und keine EM finden sich im Regattaplan; nicht mal eine echte Internationale Deutsche Segel-Meisterschaft (IDM) steht im Programm.

Spektakuläre olympische Klassen wie Starboot, 470er, 49er oder Tornado und damit echter Spitzensport von internationaler Bedeutung fehlen in diesem Jahr völlig. Hier machen sich eventuell die zeitgleich stattfindenden Europameisterschaften der olympischen Bootsklassen in Helsinki aus Warnemünder Sicht negativ bemerkbar. Immerhin haben bei den Finns noch 32 Starter gemeldet, unter ihnen auch Altmeister André Budzien aus Schwerin, der angesichts der ansonsten eher unbekannten Konkurrenz sicherlich einen Platz auf dem Podium anpeilen darf.

Tornado bei der Warnemünder Woche: Die wiederaufstrebende olympische Zweirumpf-Klasse ist diesmal nicht vertreten (foto cc by RostockSailing.de / RS-Archiv 2003).


Apropos "Top-Event": Besonders bitter schmeckt das diesjährige Fernbleiben der Drachen-Klasse. Lange Jahre kamen die ehemals olympischen Boote gern nach Warnemünde und sorgten für elegantes Kielboot-Flair. In diesem Jahr hätte es sogar die Europameisterschaft sein können (ein echtes Top-Event!), denn diese wirklich hochkarätig besetzte Veranstaltung findet zeitgleich statt (3.-8. Juli), allerdings im nur 35 Seemeilen entfernten Boltenhagen! Dort tummeln sich nächste Woche 75 Boote dieser zeitlos attraktiven Klasse, gespickt mit Weltklasse-Seglern wie Markus Wieser oder Lawrie Smith.
(Hintergründe & Links)

In Warnemünde dagegen segeln die "Skippis 650" offiziell ihren "Europa Cup" aus. Das klingt erstmal gar nicht so verkehrt (auch wenn die Sportbootklasse vielleicht nur bedingt das Who-is-who des internationalen Segelsports anzieht). Ein Blick in die Meldeliste bringt jedoch Ernüchterung: auf dem Wasser wird es offenbar lediglich einen deutsch-polnischen "Ländervergleich" geben. Sechs Boote aus Deutschland und weitere fünf aus unserem östlichen Nachbarland - macht zusammen also 11 Meldungen (Stand 28.06. = offizieller Meldeschluss) - echtes Europa-Feeling sieht anders aus. Das kann die Verantwortlichen wohl kaum zufrieden stellen, zumal selbst die in der Ausschreibung festgelegte Mindestteilnehmerzahl mit 15 angegeben ist.

Insgesamt dürfen sogar sechs Klassen starten, obwohl sie die Hürde der erwähnten Mindestteilnehmerzahl bei Meldeschluss gerissen haben. Darunter neben dem "Skippi-Europacup" auch die "German Open" der Platu 25 mit ebenfalls nur 11 Startern (mind. 12). Außerdem betrifft es die als weiteres Highlight angekündigte 2.4mR-Klasse (11 Boote / mind. 15), Devoti-One (9/15), Streamline (11/12) und selbst in der olympischen Surfklasse RS:X konnten sich gerade mal 6 Athleten für Start vor Warnemünde erwärmen (Mindestteilnehmerzahl 15).



Bei den Korsaren und J24 war das Teilnehmerinteresse sogar noch geringer, so dass die Wettfahrten gleich ganz abgesagt wurden. Moderne und spektakuläre Skiff-, Katamaran- und/oder Match-Race-Wettkämpfe waren ohnehin nicht im Programm vorgesehen.

Wenigstens halten die nationalen Klassen die Treue: im OK, 420er, Pirat, 505er und H-Boot kommen weiterhin Felder mit mehr als 20 Startern zustande. Diese Segler reisen zum großen Teil aus dem Binnenland an. Sie lieben die kuschelige Atmosphäre am Alten Strom und die einzigartige Welle vor Warnemünde. Sie bilden die langjährige Konstante der Warnemünder Woche und bleiben uns hoffenlich noch lange erhalten.

Die OK-Dinghies stellen zur 74. Warnemünder Woche mit ca. 40 Teilnehmern das größte Feld bei den nationalen Klassen (foto cc by RostockSailing.de / RS-Archiv 2003).


Auch die Seebahnen verzeichnen einigermaßen akzeptablen Zuspruch, wobei die etwa 55 "Rund Bornhom"-Starter wiederum nicht gerade einen neuen Melderekord darstellen - vor ein paar Jahren waren es noch deutlich mehr als 70 Yachten.

Insgesamt verwundert es somit nicht wirklich, dass die offizielle Teilnehmerzahl dieser 74. Warnemünder Woche erstmals seit 10 Jahren entgegen den Pressemeldungen mit weit unter Zweitausend angegeben werden müsste, es sei denn man rundet wirklich großzügig auf den nächsten vollen Tausender auf. Genau genommen dürften die Meldezahl gerade mal 1.500 ergeben (auch schon aufgerundet) und das wären dann - ungeschminkt betrachtet - mindestens 25% weniger aktive Segler als in den Vorjahren!

"In insgesamt 17 Bootsklassen treten knapp 1.500 Aktive aus über 30 Nationen an. Zusätzlich bietet das Offshore-Programm rund 500 Teilnehmern ultimatives Warnemünde-Segelvergnügen..."

"Über 30 Nationen" statt 24 - naja. Aber von zusätzlich 500 Teilnehmern auf den Seebahnen wie es im offiziellen Pressetext steht, kann nun wirklich keine Rede sein - eher das Gegenteil ist der Fall. Denn die Gesamtzahl von 1.500 Teilnehmern wird überhaupt nur erreicht, wenn man die Mehrfachstarter auf den unterschiedlichen Seebahn-Regatten (Bäderregatta, Rund Bornholm, Warnemünde-Cup) auch tatsächlich mehrfach zählt. Würde man sie wirklich aus der Rechnung herausnehmen, läge die übrige TN-Zahl der diesjährigen WW sogar nur noch im dreistelligen Bereich. (Zum Vergleich: 2010 waren es offiziell 2.300 Teilnehmer, in den Jahren davor 2.000, 2.500, 2.000 usw.)

Die Anzahl der Bootsklassen ist mit 15-17 (je nach Rechnung) ebenfalls so gering wie schon lange nicht mehr. Nun ist allerdings Masse nicht zwangsläufig gleich Klasse und vielleicht gibt dieser Rückschritt (der es offensichtlich ist) ja auch den Blick auf ganz neue Perspektiven frei - zumindest dann, wenn weniger Klassen wieder mehr Teilnehmer anziehen (würden).

Dass die Kieler Woche in einer ganz anderen Liga spielt, ist unbestritten. Aber einen Vergleich z.B. mit der Travemünder Woche muss(te) die WW normalerweise nicht scheuen. Die Lübecker jedoch warten in diesem vorolympischen Jahr mit nicht weniger als 3 Welt- und 5 Europa-Meisterschaften auf! Am Start sind dabei so spektakuläre Klassen wie die Motten (EM), 49er (JWM) und Tornados (IDM).

Vielleicht stellt sich das Jahr 2011 nur als kleine Delle in der jahrzehntelangen Erfolgsgeschichte der Warnemünder Woche (früher Ostseewoche) heraus und vielleicht gibt es schon im kommenden Olympia-Jahr wieder echte Erfolgsnachrichten aus Warnemünde zu berichten - hoffen wir das Beste! Aus Sicht der komplett umstrukturierten Führungsriege der WW kann man das Resultat im Jahre eins nach Amtsantritt (Juli 2010) des neuen Vorsitzenden des Organisationskomitee Lennart Klemp wohl bestenfalls als suboptimal bezeichnen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden...

Es wird interessant zu sehen sein, mit welchem Zukunfts-Konzept die neuen WW-Macher im Hinblick auf die kommenden Jahre antreten werden, um dem aktuellen Substanzverlust entgegen zu wirken. Es muss wohl u.a. darum gehen, neue interessante Segeltrends vorherzusehen und ggf. zu integrieren, um zeitnah zur einstigen Attraktivität zurückzufinden und die traditionsreiche Warnemünder Woche insbesondere bei den Aktiven wieder auf den Stellenwert zu bringen, der ihr als das Aushängeschild des hiesigen Segelsports gebührt.

Dann wird sicher nicht nur die neue "hanseboot Event Area" sondern ganz Warnemünde wieder der absolute "Sailing-Place to be"!

Selbstverständlich darf dabei auch das Altbewährte nicht vernachlässigt werden.

...und da haben wir ja zum Glück noch die Laser!


--


Weitere Links zum Thema:


1 Kommentar:

  1. Hallo RS, vielen Dank für diesen offenen Blick auf die WMW! Probleme sollten nicht unter den Teppich gekehrt sondern benannt und von den Organisatoren angegangen werden. Ich hoffe auf Updates von Dir, welche zusätzliche Infos neben den Pressemitteilungen unter das SeglerInnen-Volk bringen.
    Gruß aus Berlin und allen Teilnehmer der WMW viel Spaß!

    AntwortenLöschen

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...