15.12.2011

ex KOMMODORE JOHNSEN in Rostock

Vermutlich ist das folgende Foto nur was für detailverliebte Freaks mit überdurchschnittlicher Affinität zur Seefahrtsgeschichte der letzten hundert Jahre. Oder interessiert sich etwa sonst noch jemand für die längst vergangenen Namen irgendwelcher alten Windjammer? Einer davon hieß mal kurzzeitig KOMMODORE JOHNSEN und ist am Wochenende wieder in Rostock zu Gast...

Wenn man mal ganz genau hinschaut: Im frühen Gegenlicht ist am Bug der SEDOV mehr als 65 Jahre nach der letzten Umbenennung noch immer der alte, ins Schiffsblech gedengelte Name KOMMODORE JOHNSEN zu lesen ... (foto cc by RostockSailing.de).


In diesem Fall dreht's sich nicht um irgendeinen Großsegler, sondern um den größten noch aktiven überhaupt. Dass die heutige SEDOV vor 90 Jahren als MAGDALENE VINNEN II vom Stapel der Kieler Germaniawerft lief, mag der ein oder andere schon mal gehört oder gelesen haben. Dagegen war der Name KOMMODORE JOHNSEN nur eine eher kurze Kriegszeit-Episode im abwechslungsreichen Leben des gewaltigen Viermasters...

Kommodore Nikolaus Johnsen 1928 (Bundesarchiv)
Im Jahr 1936 verkaufte der Bremer Reeder Friedrich Adolf Vinnen das damals fünfzehn Jahre alte Schiff an den Norddeutschen Lloyd, der auf der Suche nach einem Großsegler war, um es als frachttragendes Segelschulschiff zu betreiben. In diesem Zuge wurde die Viermast-Stahlbark in KOMMODORE JOHNSEN umbenannt (nach dem Hapag-Lloyd-Kapitän Kommodore Nicolaus Johnsen, 1869–1930, u.a. Kapitän und Kommodore auf den Transatlantik-Linern COLUMBUS und EUROPA III).

Nur ein Jahr später, Anfang März 1937, entging die KOMMODORE JOHNSEN auf einer Rückreise von Buenos Aires nach Hamburg nur knapp dem Untergang, als bei den Azoren in einem Hurrikan ein Schott brach und sich die Schüttgut-Ladung (4.963 Tonnen Weizen) dramatisch verschob - siehe unten [1].

Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangte sie im Mai 1945 in britischen Besitz und am 20. Dezember 1945 als Reparationszahlung in die Sowjetunion, die sie nach Odessa verlegte. Im Januar 1946 erhielt sie ihren heutigen Namen SEDOV, der mit den beiden vorigen Namen nebst Jahreszahl in ein Messingzierband des Steuerrades eingraviert ist.

Auf dem Steuerrad der SEDOV sind alle drei Namen des Schiffes nebst Jahreszahlen in das umlaufende Messingband eingraviert, so auch der Schriftzug "1936 KOMMODORE JOHNSEN 1946" (foto cc by RostockSailing.de)


Doch nicht nur am Ruder ist der alte Name KOMMODORE JOHNSEN noch auffindbar. Wer sich das Bild ganz oben mal genauer und in aller Ruhe betrachtet, kann am Bug der SEDOV neben den heutigen kyrillischen weiterhin die Umrisse der alten deutschen Buchstaben erkennen.

Die wurden "damals vor dem Krieg" offensichtlich für die Ewigkeit auf das Schiffsblech gedengelt, so dass sie auch heute noch, mehr als 65 Jahre nach der letzten Umbenennung gut auszumachen sind (zumindest im morgendlichen Gegenlicht). Die ganze Schiffsgeschichte während der zehnjährigen "KJ"-Ära ist u.a. beim SEDOV-Freundeskreis ausführlich nachzulesen...

Segeln in einer anderen Dimension: In der Takelage der SEDOV werden die Kadetten zu Winzlingen. Wenn man irgendwo Demut und Respekt vor den Kräften der Natur erlernen konnte (und immer noch kann), dann sicherlich in luftiger Höhe ganz außen auf der Rahnock eines rollenden Windjammers... (foto cc by RostockSailing.de). 


Wir hatten ja schon mehrmals über die Rostock-Besuche der SEDOV ex KOMMODORE JOHNSEN ex MAGDALENE VINNEN II berichtet (u.a hier und hier). Morgen ist es wieder mal soweit: Vom 16.-19. Dezember 2011 macht der geschichtsträchtige Viermaster wieder in Warnemünde fest und ist dort zu besichtigen.

Wer Lust hat, kann dann ja am Passagierkai vorbeischlendern und vorn am Bug mal etwas genauer hinschauen...

;o)


[1] Dieser Vorfall ist insbesondere vor dem Hintergrund spannend, dass fast genau 20 Jahre später die PAMIR durch eine Verschiebung der Getreideladung nach Bruch des Längsschotts unterging. Auch die PASSAT hätte um ein Haar ein ähnliches Schicksal aufgrund einer Ladungsverschiebung ereilt - beide Schiffe gerieten ebenso wie die KOMMODORE JOHNSEN auf der Route Buenos-Aires-Hamburg in einen schweren Sturm. Das komplette Drama gibt's u.a. bei Wikipedia zu lesen... 



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Noch mehr Infos und Links zur SEDOV:
  • NDR-Beitrag mit Bildern hier ...
  • tolle Bilder der SEDOV in Tromsö hier ...
  • von einem der mitgefahren ist hier...
  • Vorschau "World Cruise 2012/13" hier...

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